Aus Westfälisches Volksblatt v. Fr. 23.7.2021 |
Wenn das Mäken auf dem Guul sitzt
Von Dietmar Kemper
PADERBORN (WV). .,Höpper" nannten die Paderborner den Frosch, .,Mäken" ein Mädchen. Und wenn es im Winter eiskalt war und sich die Bauern die Ohren warmrieben, sagte man in Haaren: „In Haaren hat de Boen de Oen verfroren", während es im nicht weit entfernten Leiberg hieß: .Jn Leiberch hat de Buen de Uen verfruen",
Die Beispiele zeigen: Das paderbörnische Platt wirkt wie aus der Zeit gefallen und konnte sogar von Dorf zu Dorf unterschiedlich sein. Wie unsere Vorfahren gesprochen haben, beschreiben Doris Tophinke, Nadine WaJlmeier und Marie-Luis Merten in dem Buch .Das paderbörnische Platt:
Niederdeutsch im Gebiet der Kreise Paderborn und Höxter". Es ist im Aschendorff-Verlag in Münster als dritter Band der Reihe zu westfälischen Mundarten erschienen. Doris Tophinke ist Professorin für Allgemeine und germanistische
Sprachwissenschaft an der Universität Paderborn und erforscht das Niederdeutsche in Geschichte und Gegenwart. Die Germanistin Nadine Wallmeier arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Dialektatlas Mittleres Westdeutschland (DMW)" mit, in dem die Universitäten Paderborn, Bonn, Münster und Siegen Dialekte in NRW, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz lokalisieren und auswerten. Marie-Luis Merten wiederum befasste sich in Paderborn bis zu ihrem Ruf an die Universität Zürich mit der Grammatik des Niederdeutschen.
Aber warum lohnt sich die Beschäftigung mit dem Platt- oder Niederdeutschen überhaupt noch, wenn kaum noch jemand es praktiziert und versteht? .Bis ins 16. Jahrhundert hinein wurden auch im Paderborner Raum nur Niederdeutsch oder Latein gesprochen und geschrieben, das war nicht nur die Sprache der Bauern", betont Doris Tophinke. Ausgehend von den Städten sei
dann ab dem 17. Jahrhundert nicht mehr niederdeutsch geschrieben worden, und nach 1945 habe man auch weitgehend aufgehört, es zu sprechen und an die Kinder weiterzugeben. Tophinke: „Plattdeutsch wurde stark abgewertet. Eltern hatten die Sorge, dass die Kinder in der Schule ein Problem be-
kommen, wenn sie zuhause nur Platt sprechen."
Noch beherrschen ältere Menschen das paderbörnische Platt. .,In Elsen, Ostenland oder Leiberg gibt es noch viele Plattsprecher in der Generation 60-plus", weiß Nadine Wallmeier. Für den Dialektatlas Mittleres Westdeutschland hat sie seit Ende 2016 bereits 200 Personen befragt - zum Bei-
spiel dazu, wie sie auf plattdeutsch eine Katze oder Pfanne nennen, ob es sprachliche Unterschiede im Nachbardorf gibt und mit wem sie sich noch in dem Dialekt unterhalten. Die interviewten Menschen sollen auch Sätze übersetzen wie „Der gute alte Mann ist mit dem Pferd durchs Eis gebrochen und ins kalte Wasser gefallen". Sie stammen von dem Sprachwissenschaftler Georg Wenker aus dem 19. Jahrhundert und dienen noch immer als Grundlage für die Recherche über deutsche Dialekte und Dialektgrenzen.
Was ist das Eigentümliche am paderbörnischen Platt? .Die niederdeutschen Dialekte unterscheiden sich nicht so sehr bei den Konsonanten, der Unterschied liegt im Vokalismus", antwortet Doris Tophinke. Im paderbörnischen Platt gebe es viele Zwielaute, also zwei Selbstlaute hintereinander. Als Beispiel dafür nennt Nadine Wallmeier „Guul" oder „Giul" für Pferd. Hier folgen zwei Vokale aufeinander -
so wie in „Hius" für Haus.
Neben dem paderbörnischen Platt gibt es das Paderbörnsch, was nicht dasselbe ist. Beim Versuch der Paderborner Stadtgesellschaft, im 18. Jahrhundert Hochdeutsch zu sprechen, sei viel Plattdeutsch eingeflossen und diese Mischung bezeichne man als Paderbörnsch, erläutert Doris Tophinke und nennt „chanz chut" als Beispiel dafür.
Tophinke (57) und Wallmeier (45) fänden es schade, wenn das Plattdeutsche aussterben würde. Denn dann würden schöne Wörter wie „betuppen" für betrügen, .Katte" für Katze oder „Mulwurp" für Maulwurf mit verlorengehen. Übrigens ist auch „Paderborn" plattdeutsch und bezeichnet die Quelle der Pader.
Das Buch „Das paderbörnische Platt: Niederdeutsch im Gebiet der Kreise Paderborn und Höxter" ist im Aschendorff-Verlag erschienen, hat gut 100 Seiten, die ISBN-Nummer 978-3-402- 14346-9 und kostet 9,95 Euro.
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